Der Fahrzeugtechnikentwickler BFFT stellt jedes Jahr eine Vielzahl an neuen Mitarbeitern ein. Etwa zwei Drittel werden über Stellenanzeigen auf das Unternehmen aufmerksam. Die übrigen lernt BFFT per Active Sourcing kennen. Das beherrscht der Mittelständler wie kaum ein anderes Unternehmen in Deutschland.
Das Unternehmen BFFT Fahrzeugtechnik aus dem bayerischen Gaimersheim ist einer der vielen deutschen Automobilzulieferer. Das Geschäft boomt, der Umsatz hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Die Firma aus der Provinz entwickelt für Autohersteller Navigationssysteme, Software, elektronische Einparkhilfen und Elektronik für intelligente Scheinwerfer. Das Unternehmen, das im Jahr 1998 gegründet wurde, beschäftigt rund 800 Mitarbeiter. Etwa 350 davon hat BFFT erst in den vergangenen zwei Jahren eingestellt, vor allem hochqualifizierte Softwareentwickler und andere IT-Fachkräfte.
BFFT hätte nicht so schnell wachsen können, wenn das Unternehmen beim Recruiting nicht neue Wege beschritten hätte. Das Geheimnis des Erfolgs heißt Active Sourcing. Der Mittelständler schaltet nicht nur klassische Stellenanzeigen, um neue Mitarbeiter zu finden. Er beschäftigt auch ein ganzes Team internetaffiner Recruiting-Profis, die im Netz nach neuen Talenten suchen und mit ihnen in Kontakt treten. So machen sie begehrte Fachkräfte auf sich aufmerksam, die selbst nie auf die Idee gekommen wären, sich bei BFFT zu bewerben. „Wir zeigen Kandidaten, wie sehr sie bei BFFT geschätzt werden“, sagt Jan Hawliczek, stellvertretender Leiter Recruiting und Personalmarketing. „Das funktioniert ziemlich gut.“
Hawliczek verantwortet das Recruiting zusammen mit Tobias Ortner. Die beiden haben sich vor einigen Jahren in Ortners Startup work performance kennengelernt. Mit anderen Kollegen zusammen betreiben sie auch das Blog die grüne 3. „Aus Leidenschaft zu Recruiting, Social Media und IT wurde eine Freundschaft und später unser gemeinsamer Blog die grüne 3“, heißt es da. Und diese Leidenschaft bringen sie ebenfalls beim Recruiting für BFFT mit.
Der Mittelständler gehört unter deutschen Unternehmen zu einer kleinen Minderheit. Nicht einmal fünf Prozent aller Firmen betreiben Active Sourcing, schätzt Henrik Zaborowski, der als selbständiger Recruiting-Coach HR-Manager berät. „Viele Unternehmen behaupten zwar, Active Sourcing konsequent einzusetzen, tatsächlich trifft das aber nur auf wenige zu.“ Wenn ein Recruiter in unregelmäßigen Abständen bei Xing Nachrichten an mögliche Kandidaten schreibe, sei das kein systematisches Active Sourcing. Wer es professionell betreiben wolle, müsse mehr Zeit investieren und sich laufend darum kümmern, meint Zaborowski.
Arbeiten wie Headhunter
Bei BFFT hat man schon vor fast zehn Jahren erkannt, dass Active Sourcing eine gute Lösung sein kann. Schließlich muss man sich etwas einfallen lassen, wenn man seinen Sitz in einem 11.000-Einwohner-Örtchen hat. Deshalb beschäftigt BFFT ein Team aus acht HR-Mitarbeitern, die sich darum kümmern, Kandidaten kennen zu lernen.
Diese Sourcer sind Menschen, die sich im Internet zu Hause fühlen, Kommunikationsprofis und Social-Media-Experten – so wie Jan Hawliczek, der ein wahrer Digital Native ist. Pinterest, Google+, Facebook, Snapchat: Es dürfte kaum ein soziales Netzwerk geben, in dem er nicht unterwegs ist.
Das Unternehmen BFFT hat die Leute im Team in einer eigens entwickelten Ausbildung auf ihre Aufgabe vorbereitet. Dort lernen zukünftige Sourcer zum Beispiel, wie man Nachrichten so formuliert, dass sie bei Empfängern möglichst gut ankommen.
Im Alltag arbeiten die Sourcer ähnlich wie Headhunter. Wenn eine BFFT-Fachabteilung dem Recruitingteam meldet, dass sie einen neuen Mitarbeiter braucht, begeben sich die Spezialisten auf die Suche. Zunächst überlegt das Team, ob es bereits geeignete Kandidaten kennt. Jeder Sourcer hält Kontakt zu etlichen Spezialisten, die für andere Unternehmen arbeiten. Wenn sich in diesem Netzwerk passende Kontakte finden, rufen die Sourcer die Kandidaten an und versuchen ihnen einen Wechsel zu BFFT schmackhaft zu machen.
Parallel dazu begeben sich die Sourcer auf die Suche nach ihnen bisher unbekannten Talenten. Sie durchstöbern Netzwerke wie Xing und LinkedIn und schreiben potenziellen Kandidaten Nachrichten. „Wir machen uns selbstverständlich die Mühe, jede einzelne Ansprache zu individualisieren und zu personalisieren“, sagt Jan Hawliczek. „Unser Ziel ist es, dass die Leute sich vom ersten Moment an wohlfühlen und sie das Gefühl haben, dass wir uns bei ihnen bewerben und uns kümmern, nicht andersherum.“ Trotzdem antworten viele nicht. Wenn jeder Dritte auf Nachrichten antworte, sei das eine gute Quote, so Hawliczek.
Active Sourcing hat einen erheblichen Anteil am Recruiting-Erfolg von BFFT. Zwar lernt das Unternehmen den Großteil seiner neuen Mitarbeiter immer noch über klassische Wege wie Stellenausschreibungen kennen. Aber: Zwischen 30 und 40 Prozent der Kontakte bahnen die Active-Sourcing-Spezialisten an.
Der innovative Recruiting-Ansatz sei unternehmerisch sinnvoll, ist Hawliczek überzeugt. Eigene Sourcer zu beschäftigen sei günstiger als laufend externe Personalberater mit der Suche nach Kandidaten zu beauftragen. Das liegt auch daran, dass die BFFT-Recruiter im Kontakt mit potenziellen Kandidaten wesentlich überzeugender sind als jeder Headhunter: Sie kennen den Arbeitsalltag im Unternehmen. Und sie können aus eigener Anschauung von Sommerpartys erzählen, von gemeinsamen Skifahrten oder Ausflügen in den Kletterpark.
Interessanter Artikel! Firmen müssen heute andere Wege gehen und stets wach sein beim Recruiting. Der Spieß hat sich mittlerweile umgedreht und High Potentials kann man nicht mehr so einfach abgreifen auf dem Jobmarkt.